Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

Verbesserung für Leistungsberechtigte?

sopo aktuell (180/2014)
30.08.2014

SGB-II-Reformen auf dem Weg

Verbesserung für Leistungsberechtigte?

Das Wichtigste zum geplanten Gesetzesgebungsverfahren

Im April 2015 soll – so heißt es aus dem BMAS – die angekündigte Reform des Sozialgesetzbuchs II (SGB II), das die Grundsicherung für Arbeitsuchende (u.a. Arbeitslosengeld II) regelt, umgesetzt werden. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) hat im Juli 2014 dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) über 30 Reformvorschläge übergeben. Vereinfachungen in der Abwicklung für die Verwaltungen sind das oberste Ziel. Mit dem Vorschlag einer Verlängerung des Bewilligungszeitraums, einer Vereinheitlichung der Sanktionen zugunsten jugendlicher Leistungsbezieher und erweiterten Bagatellgrenzen gibt es auch ein paar Ideen, die den Betroffenen direkt zugutekommen könnten.

Seit Sommer 2013 beraten Fachexperten über eine „Rechtsvereinfachung“ zu Änderungen im SGB II. Die Bund-Länder-Kommission, mit den ständigen Mitgliedern BMAS, den Bundesländern, der Bundesagentur für Arbeit (BA), den kommunalen Spitzenverbänden und dem Deutschen Verein für öffent­liche und private Fürsorge (DV) diskutierte in mehreren Workshops über 120 Vorschläge zur Rechtsvereinfachung. Dabei waren weder Gewerkschaften noch Sozial- und Wohlfahrtsverbände beteiligt. Zuletzt hat die Arbeitsgruppe Rechtsvereinfachung rund 30 Vorschläge veröffentlicht, die die Aufgabenstellung und Aufgabenerledigung im SGB-II-Bereich einfacher gestalten sollen.

Gesetz soll zum 1. April 2015 in Kraft treten

Bereits Im Koalitionsvertrag (November 2013) haben CDU/CSU und SPD sich darauf verständigt,  das Leistungs- und Verfahrensrecht im SGB II „einfacher und effektiver“ auszugestalten. Nun wird der Referentenentwurf im BMAS erarbeitet und mit den anderen Bundesministerien abgestimmt.

Für den 5.November.2014 ist die Beschlussfassung im Bundeskabinett vorgesehen. Da das Neunte Gesetz zur Änderung des SGB II ein zustimmungspflichtiges Gesetz ist, soll der Bundesrat am 19. Dezember 2014 erstmals darüber beraten. Im Bundestag ist die abschließende Beratung der Gesetzesvorlage am 6. Februar 2015 (2. und 3. Lesung) vorgesehen. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich am 6. März 2015 abschließend mit dem Gesetz beschäftigen, so dass es zum 1. April 2015 in Kraft treten kann.

Die wichtigsten Diskussionspunkte der SGB II-Reform:

  • Die verschärften Sanktionsregeln für unter 25-Jährige sollen abgeschafft werden, stattdessen sollen für alle SGB-II-Leistungsbezieher die  gleichen Sanktionsregeln gelten.
  • Sanktionen sollen pro Sanktionsgrund auf 30% des Bedarfs begrenzt werden, wobei Mietkosten davon ausgenommen werden sollen.
  • Anstelle einer komplizierten Neubeantragung nach sechs Monaten sollen Bescheide künftig für ein Jahr gültig sein.
  • Die Bagatellgrenzen für Erwerbslose, die hinzu verdienen, sollen erhöht werden.
  • Leistungsberechtigte sollen leichter Zugang zu Darlehen vom Jobcenter bekommen oder Vorauszahlungen erhalten, wenn sie unvorhergesehene Ausgaben haben.
  • Jobcenter sollen leichter und öfter in bestehende, bewilligte Leistungsansprüche eingreifen und Leistungen kürzen können, um eigene Rückforderungen (z.B. wegen Überzahlungen in der Vergangenheit) einzutreiben.
  • Der Regelsatz wird vor Pfändungen geschützt.
  • Die Überwachung der Leistungsberechtigten wird effizienter gestaltet und der Austausch mit anderen Behörden erleichtert und intensiviert. Es entsteht eine engere Kontrolle.
  • Im Falle einer temporären Bedarfsgemeinschaft bei Alleinerziehenden mit geteiltem Sorgerecht (z.B. wenn das Kind das andere Elternteil für ein Wochenende besucht) soll nur ein Bescheid erstellt werden und das andere Elternteil erhält einen Auszahlungsanspruch für die Tage, die das Kind bei ihm oder ihr verbringt.

Der Erfolg der Reform bleibt abzuwarten.

Ob die geplante SGB-II-Reform ausreicht, um die Situation der betroffenen LeistungsempfängerInnen spürbar zu verbessern, ist fraglich.

Es ist außerdem offen, ob es mit den derzeit bekannten Vorschlägen gelingt, den Verwaltungsaufwand zu verringern und die rechtlichen Hürden für den SGB-II-Leistungsbezug zu minimieren.

Für ver.di gilt: Die Änderungen im SGB II dürfen keinesfalls dazu führen, dass die Lebensbedingungen der Erwerbslosen sich durch ein Absenken des Existenzminimums weiter verschlechtern. Zudem muss in der Umstellungsphase sichergestellt werden, dass keine finanziellen Nachteile für Leistungsberechtigte entstehen.

Wesentlicher Maßstab echter Verbesserungen im SGB-II-System ist für ver.di, ob es gelingt auch Langzeiterwerbslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ziel einer sozialstaatlichen Arbeitsmarktpolitik muss es sein, mehr sozialversicherungspflichtige und tariflich abgesicherte Arbeitsplätze zu schaffen.

Mit den Reformvorschlägen und den möglichen Auswirkungen für die Betroffenen (LeistungsempfängerInnen) wird sich der Vorstand des ver.di-Bundeserwerbslosenausschusses Mitte September im Detail beschäftigen. Auf einer Fachtagung zur SGB II-Reform am 5. November 2014 in Berlin werden Vertreterinnen und Vertreter der ver.di-Erwerbslosengruppen mit politischen Akteuren über die SGB-II-Reformvorschläge diskutieren: Die Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz, der Schutz vor Willkür, die Erhöhung der Alg-II-Regelsätze, die Ablehnung existenzvernichtender Sanktionen sowie  bürgerfreundliche und rechtsstaatlich handelnde Jobcenter, sind Kernbestandteile des Forderungskatalogs der ver.di-Erwerbslosengruppen. Um sie wird es wesentlich bei der Debatte gehen.

 

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